Das UNESCO-Weltkulturerbe „Markgräfliches Opernhaus Bayreuth“ (2012) besitzt ein prächtiges Logentheater, das vollständig erhalten ist. Mitten im Zentrum der Residenzstadt Bayreuth ließ Markgräfin Wilhelmine (1709–58) das Hoftheater 1745 bis 1750 errichten. Bis in die Gegenwart finden Aufführungen statt.
Das Markgräfliche Opernhaus ist nicht zu verwechseln mit dem Festspielhaus in Bayreuth (Richard-Wagner-Festspielhaus) auf dem Grünen Hügel nordwestlich des Zentrums. Zum Markgräflichen Opernhaus führt der Bayreuth Rundgang.
Das Markgräfliche Opernhaus steht im Norden der Bayreuther Innenstadt an der Ostseite der Opernstraße. Das Foto zeigt den Blick ostwärts:
Links steht das Iwalewahaus an der Ecke Wölfelstr. /Münzgasse,
geradeaus das Redoutenhaus (Ecke Münzgasse/Opernstraße; erbaut 1722, Baumeister: Johann David Räntz d. Ä.). Hier befindet sich das Welterbezentrum und das Opernhausmuseum.
Zwischen beiden Gebäude im Hintergrund steht die Synagoge,
das Markgräfliche Opernhaus grenzt rechts an das Redoutenhaus; erkennbar an der Dachbalustrade mit den Statuen.
Markgräfliches Opernhaus Bayreuth (außen)
Das Markgräfliche Opernhaus kann man einmal umrunden: Von der Opernstraße geht es im Uhrzeigersinn durch die Münzgasse zum Parkplatz Münzgasse im Osten. Von dort führt ein Fußweg durch eine Passage im Nachbargebäude zurück zur Opernstraße.
Vestibül (West-Fassade)
Das Foto zeigt das dreistöckige Vestibül, das von einem Pultdach bedeckt ist. Die Statuen auf der Balustrade stellen Athene (links), griechische Göttin der Weisheit; Apollo, den griechischen Gott der Künste (rechts); und sechs Musen (dazwischen) dar. Das Vestibül wurde 1750 vor das Opernhaus gebaut, das bereits 1748 den Betrieb aufgenommen hatte. Das Mansarddach reicht nicht – wie bei den Nachbarhäusern – zur Straßenfassade, sondern befindet sich mehrere Meter hinter der Balustrade. Hinter den drei Arkaden befindet sich die Eingangshalle; darüber war eine Wohnung eingerichtet. Links und rechts verbinden Treppen die Etagen.
Nord-Fassade
An die Nordseite des Opernhauses grenzen zwei Gebäude an: das Redoutenhaus und die Synagoge. Das Foto zeigt das Gebäude, das zunächst als Komödienhaus diente. Es war der Vorgängerbau des Opernhauses. 1759 wurde es zur Synagoge umgebaut. Die Bayreuther Synagoge ist die dienstälteste Synagoge Deutschlands. Webseite: http://www.alemannia-judaica.de/bayreuth_synagoge.htm
Ost-Fassade
Das Foto zeigt die Rückseite des Opernhauses. Man blickt von der Münzgasse westwärts. Links im Hintergrund steht der Schlossturm, rechts erkennt man Fassade und Dach der Synagoge und die Dachfläche des Iwalewahauses. Hinter der Mauer rechts im Vordergrund befindet sich die Mikwe. Links passiert man die Schranke und läuft an der Südseite des Opernhauses zurück zur Opernstraße.
Markgräfliches Opernhaus innen
Das Markgräfliche Opernhaus besteht aus drei hintereinander angeordneten Zonen:
Das Markgräfliche Opernhaus besteht aus zwei voneinander unabhängigen Häusern, für die drei Architekten zuständig waren:
Das äußere Haus ist eine steinerne Hülle mit Dach; Architekt war Joseph Saint-Pierre.
Das innere Haus ist eine Fachwerkkonstruktion, Architekten waren die Italiener Giuseppe und Carlo da Bibiena. Die Logen sind an dem Fachwerkbau befestigt. Im Unterschied zu vielen anderen Theatern, die dem Feuer zum Opfer fielen, hat sich der hölzerne Logeneinbau von Giuseppe (1696–1757) und Carlo da Bibiena (1728–87) vollständig erhalten.
Das Foto oben zeigt den Zustand im Jahr 2020. Man blickt nach Westen. Die Tür im Erdgeschoss führt in den Raum zwischen steinernem Haus und Fachwerkeinbau und dann geradeaus in die Eingangshalle. Die drei Ränge sind auf hufeisenförmigem Grundriss angeordnet; im Scheitel befindet sich die Fürstenloge.
Die Abbildung unten stammt aus dem Jahr 1879. Der Mittelgang im Parterre ist verschwunden. Die Holzoberflächen hat man mehrmals gestrichen, in den 1960er Jahren u. a. mit dem Insektizid Lindan. Diese Anstriche wurden bei der Sanierung 2012–18 weitgehend entfernt – durch Restaurator*innen in Schutzanzügen (mehr Infos: Link). Die neue Klimaanlage sorgt für einen ausreichenden Luftaustausch und ein Raumklima, das die Holzkonstruktion schützt.
Im New Yorker Metropolitan Museum of Art befinden sich mehrere Zeichnungen Giuseppe da Bibienas. Die Darstellungen haben Ähnlichkeiten mit dem Bayreuther Opernhaus. Die Zeichnung links ähnelt der Fassade, die rechts der Loge.
Bühne
Das Foto zeigt das Innere des Opernhauses mit Blick nach Osten:
Im Vordergrund die Sitzreihen im Parkett (im Barock ohne dauerhafte Bestuhlung),
Hinter der Balustrade befindet sich das Orchester,
Zwei Treppen führen zur Vorderbühne. Sie ist durch den Vorhang abgetrennt von der
Hauptbühne, die von der Hinterwand (Bühnenprospekt) abgeschlossen wird.
Durch die Sanierung 2014–18 erfolgten Veränderungen, z. B. im Bereich der Vorderbühne.
Kulissenbühne
Blickt man schräg auf die Bühne, erkennt man, dass mehrere Seitenkulissen und Deckenkulissen in der Tiefe der Bühne hintereinander angeordnet sind. Zwischen den Kulissen liegen die Gassen. Die Kulissenbühne ist typisch für den Barock. Als Erfinder gilt der Italiener Giovanni Battista Aleotti (1546–1636), der das Teatro Farnese baute (siehe unten). Die Seitenkulissen waren verschiebbar; die Deckenkulissen auf- und absenkbar. Hierfür befindet sich ein Seilboden oberhalb der Bühne.
Seilboden
Im Markgräflichen Hoftheater verbirgt sich unter dem großen Walmdach nicht nur ein Dachstuhl von ungewöhnlicher Breite, sondern auch die Vorrichtung für die Bühnentechnik. Das Foto zeigt den Seilboden in einem anderen barocken Hoftheater: im Théâtre de la Reine in Versailles (Webseite: http://www.chateauversailles.fr/decouvrir/domaine/domaine-trianon/theatre-reine)
Bei Theatern des 19. Jahrhunderts ist der Seilboden als turmartiger Aufbau von außen gut erkennbar. Das Foto unten zeigt das Festspielhaus in Bayreuth (Richard-Wagner-Festspielhaus), erbaut 1872–75. Je höher die Bühne, desto höher waren die bühnenhohen Bilder und somit der Aufbau, in den sie hochgezogen werden. Im Unterschied zu ihnen ist der eiserne Vorhang im Regelfall herabgelassen und nur während der Aufführung hochgezogen. Er trennt Bühne und Zuschauerraum feuersicher. Das Markgräfliche Opernhaus erhielt 1936 einen eisernen Vorhang (und eine Brandmauer); die Bühnenöffnung wurde dadurch verkleinert. Der moderne eiserne Vorhang besteht aus zwei Teilen, da oberhalb der Bühne nicht genug Platz ist (siehe hierzu die Webseite: https://www.bwki.de/de/projekte/markgraefliches-opernhaus-bayreuth).
Unterbühne
Die Bühnenmaschinerie befand sich nicht nur oberhalb der Hauptbühne, sondern auch darunter. Das Foto zeigt ein Modell der Unterbühne des Hoftheaters Schwetzingen. Durch Drehen der Rundstange werden die Seile aufgerollt. An den Seilen sind die Kulissenfüße befestigt. Durch diese Maschine können die Kulissen gleichmäßig verschoben werden.
Bühnenbilder
Die Zuschauer*innen blicken auf die Bühne, die sich scheinbar weit nach hinten öffnet. Es handelt sich aber um flache Bühnenbilder. Die Maler haben ein paar Tricks angewendet: Der Eindruck räumlicher Tiefe entsteht durch die zentralperspektivischen Verkürzungen, die gemalten Schatten und die Änderung des Farbtons für die Flächen, die scheinbar im Hintergrund stehen. Die Planung und Bemalung der riesigen Flächen ist Aufgabe der Bühnenbildner.
Hoftheater und Volkstheater
Das Markgräfliche Opernhaus war ein Hoftheater: Es diente der Unterhaltung des Hofes. Während der Errichtung des Opernhauses vollzog sich eine der bedeutendsten Veränderungen der deutschen Theatergeschichte. Initiatorin war die Schauspielerin und Theaterleiterin Caroline Neuber (1697–1760) – zusammen mit dem Dramaturgen Johann Gottsched (1700–1760):
Dem Hoftheater des Adels stellten sie das (seriöse) Volkstheater des Bürgertums zur Seite.*
Den albernen Hanswurst-Aufführungen des Volkstheaters sagten sie ab 1737 den Kampf an. Neuber sorgte für die Professionalisierung der Schauspieler*innen und steigerte dadurch deren Ansehen.
Diese Veränderungen auf den „Brettern, die die Welt bedeuten“, waren ein Vorzeichen für die weltpolitischen Veränderungen (Französische Revolution 1789), das der Adel in Bayreuth und anderswo nicht recht zu deuten wusste.
* Außerdem gibt es noch u. a. Klostertheater oder Schultheater.
Das Opernhaus Bayreuth als Filmkulisse - Farinelli
Welchen Eindruck hatten die Zeitgenossen des Rokoko? Der Film „Farinelli“ (1994), der dem Leben des Kastratensängers Farinelli (1705–82) gewidmet ist, wurde u. a. im Markgräflichen Opernhaus gedreht. Fraglich ist, ob der fensterlose Innenraum im Rokoko auch so hell ausgeleuchtet war. Siehe den Video-Ausschnitt (https://youtu.be/645ayYMgTcE) sowie ein Szenen-Foto (Nr. 22 der Bildserie: https://www.imdb.com/title/tt0109771/mediaviewer/rm954223616/?context=default).
Warum ist das Markgräfliche Opernhaus UNESCO-Weltkulturerbe?
Die UNESCO hat das Markgräfliche Opernhaus zum Weltkulturerbe erklärt, weil zwei (von zehn) Welterbe-Kriterien erfüllt sind (Übersetzung durch das Auswärtige Amt):
„Kriterium (i): Das von Giuseppe Galli Bibiena entworfene Markgräfliche Opernhaus ist ein Meisterwerk barocker Theaterarchitektur in Bezug auf seine Gestaltung als Logentheater und seine akustischen, dekorativen und ikonologischen Eigenschaften.
Kriterium (iv): Das Markgräfliche Opernhaus ist ein außergewöhnliches Beispiel barocker Hoftheater. Als höfisches Opernhaus, das sich nicht innerhalb des Schlosses, sondern als urbane Struktur im öffentlichen Raum befindet, markiert es einen besonderen Punkt in der Opernhausentwicklung und ist damit Vorläufer der großen öffentlichen Opernhäuser des 19. Jahrhunderts.“ (Quelle: https://www.auswaertiges-amt.de/blob/2277210/f1e55e501beddbe46fa880eddffebabe/37-markgraefliches-opernhaus-bayreuth-data.pdf)
Bayreuther Barock
Der Architekt Joseph Saint-Pierre (1709–54) schuf bedeutende Bauten des sogenannten Bayreuther Rokoko, z. B. das Neue Schloss in Bayreuth. Außerhalb der Altstadt befinden sich zwei weitere Werke Saint-Pierres:
Eremitage: Neues Schloss
Östlich der Stadt erstreckt sich der Park der Eremitage mit Altem und Neuem Schloss. Das Foto zeigt das Neue Schloss: im Vordergrund das Wasserbecken „Obere Grotte“, dahinter den Sonnentempel, flankiert von östlichem und westlichem Flügelbau. Webseite: https://www.bayreuth-wilhelmine.de/deutsch/eremitag/index.htm
Sanspareil: Ruinentheater
Etwa auf halber Strecke zwischen Bayreuth (im Osten) und Bamberg (im Westen) liegt der Ort Sanspareil. Im 1744 angelegten Schlosspark von Sanspareil steht das Ruinentheater. Auftraggeberin war Wilhelmine von Bayreuth, Architekt Saint-Pierre. Vier steinerne Bögen sind hintereinander angeordnet – in Bayreuth sind analog die Kulissen angeordnet. Die vier Bögen haben nicht die gleiche lichte Weite: Von vorne nach hinten nimmt sie etwas ab. Webseite: https://www.bayreuth-wilhelmine.de/deutsch/sanspar/felseng.htm
Theater als UNESCO-Weltkulturerbe
Das Markgräfliche Opernhaus Bayreuth ist nicht das einzige Theater, das zum UNESCO-Welterbe zählt. Meist handelt es sich um Hoftheater.
Teatro Olimpico (Vicenza)
Das Teatro Olimpico im italienischen Vicenza gilt als das älteste Theater der Neuzeit. Es wurde 1580–85 nach Plänen des Renaissance-Architekten Andrea Palladio (1508–80) in ein bereits bestehenden Gebäude eingebaut. Das Theater zählt zum UNESCO-Weltkulturerbe „Altstadt von Vicenza und Villen Palladios in Venetien“ (Webseite: https://whc.unesco.org/en/list/712).
Teatro Olimpico (Sabbioneta)
Allerdings beansprucht auch das gleichnamige Teatro Olimpico in Sabbioneta (Lombardei), das älteste Theater zu sein. Es wurde zwar etwas später (1587–90) errichtet, war aber ein kompletter Neubau und kein Umbau wie in Vicenza. Architekt war Vincenzo Scamozzi (1548–1616), der das Theater in Vicenza vollendet hatte. Dieses Teatro Olimpico zählt zum UNESCO-Welterbe „Mantua und Sabbioneta“ (2008, Webseite: http://whc.unesco.org/en/list/1287).
Beide Theater gelten als Vorbild für das Teatro Farnese in Parma. Es war wie das Opernhaus in Bayreuth ein Hoftheater. Es wurde 1617–18 aus Holz erbaut und 1944 durch Bombardierung Parmas zerstört. Seit 1962 ist es als Rekonstruktion wieder aufgebaut.
Schlosstheater Litomyšl
Schloss Litomyšl steht in Ostböhmen (Tschechien). Das Renaissanceschloss wurde 1568–81 errichtet. Architekten waren Ulrico und Giovanni Aostalli. Im Westflügel entstand 1796–97 ein kleines Schlosstheater. Von besonderem Wert sind die Bühnenbilder, die der Maler Josef Platzer (1751–1806) schuf. In dem Schloss findet jährlich das Festival „Smetanas Litomyšl“ statt (Webseite: http://www.smetanaoperafestival.com/index_de.php). Der Komponist Friedrich Smetana, bekannt für „Die Moldau“, wurde 1824 in Litomyšl geboren und trat in dem Schlosstheater auf. Webseite: http://whc.unesco.org/en/list/901
Schlosstheater Drottningholm
Schloss Drottningholm ist die Residenz des schwedischen Königshauses. Das Schlosstheater wurde 1766 eröffnet (Architekt: Carl Fredrik Adelcrantz). Als einziges von zwei Theatern weltweit ist die Bühnentechnik erhalten geblieben. Auch 30 Bühnenbilder haben die Zeit überstanden. 1991 erklärte die UNESCO das Schloss zum Weltkulturerbe (Webseite: https://whc.unesco.org/en/list/559).
Opernhaus Bayreuth: Informationen für Besucher*innen
Europäische Route Historische Theater
Das Markgräfliche Opernhaus ist mit den oben aufgeführten Theatern Station der Europäischen Route Historischer Theater. Es handelt sich um ein Projekt von Perspectiv, der „Gesellschaft der historischen Theater Europas“ mit über 100 Theatern als Mitgliedern. Die Europäische Route Historischer Theater besteht aus mehreren Teilrouten, die aneinander anschließen, z. B.
German Route: bedeutende Hoftheater in Deutschland, z. B. in Schwetzingen oder Potsdam,
Alpine Route: Hof- und bürgerliche Theater in der Schweiz und Süddeutschland – sowie das Klostertheater in Ottobeuren,
Emperer Route: Hof- und bürgerliche Theater in Tschechien und Österreich, darunter das Stadttheater Grein. Es ist das älteste bürgerliche Theater Österreichs (gegründet 1791).
Pfeil, Mathias: Markgräfliches Opernhaus Bayreuth: vom UNESCO Welterbe zur baulichen Sanierung – das Opernhaus im Umbruch. In: ICOMOS (Hrsg.): UNESCO-Welterbe in Deutschland und Mitteleuropa. Bilanz und Perspektiven. Hefte des Deutschen Nationalkomitees LVII, Bäßler Verlag, Berlin 2013, S. 61-68. Heft: https://www.icomos.de/admin/ckeditor/plugins/alphamanager/uploads/pdf/Heft_LVII.pdf