Semmeringbahn Fahrt im UNESCO-Welterbe
Semmeringbahn. Überblick
Die Semmeringbahn ist eine „bahnbrechende“ Gebirgsbahn in Österreich. Sie führt über den Semmeringpass (898 m Scheitelhöhe der Bahnlinie), die wichtigste Verbindung zwischen Niederösterreich und Steiermark. Die Semmeringbahnlinie ist Teil der Südbahn, die Wien mit der Adria oder Rom verbindet.
Auf der 42 km langen Semmering-Strecke zwischen Gloggnitz im Osten und Mürzzuschlag im Westen fährt man durch 14 Tunnel, über 16 Viadukte und mehr als 100 Brücken.
Die Semmeringbahn wurde von dem Ingenieur Carl von Ghega (1802-60) geplant. Das Projekt galt manchen als anspruchsvoll bis undurchführbar. 1998 erklärte die UNESCO mit der Semmeringbahn erstmals eine Bahnstrecke zum UNESCO-Weltkulturerbe (Webseite: http://whc.unesco.org/en/list/785)
Das Foto oben zeigt einen Abschnitt der Semmeringbahn, der „20-Schilling-Blick“ genannt wird, weil er auf der Banknote abgebildet war.
Semmeringbahn als Teil der Südbahn
Südbahn
Die Südbahn führt von Wien südwärts über Gloggnitz nach Mürzzuschlag. Ein Zwischenhalt lohnt in Baden bei Wien. (26.000 Einw.; http://www.baden-bei-wien.at/). Der Kurort zählt seit 2021 zum transnationalen Weltkulturerbe „Bedeutende Kurstädte in Europa„.
Bis 1854 konnte man von Wien mit der Südbahn nur bis zum Bahnhof Gloggnitz fahren. Seit der Eröffnung der Semmeringbahn reicht die Südbahn über Graz (219.000 Einw., UNESCO-Weltkulturerbe) bis zum österreichischen Grenzbahnhof Spielfeld-Straß. Von dort geht es weiter bis zum Adriahafen Triest (203.000 Einw.)
Semmeringbahn - Karte
Die Semmeringbahn verbindet Niederösterreich (und Wien) mit der Steiermark.
- Endbahnhof in Niederösterreich ist Gloggnitz. Nach sieben Bahnstationen passiert die Bahn den Haupttunnel. Dieser liegt an der Grenze zwischen Niederösterreich und der Steiermark.
- Nach drei Stationen in der Steiermark erreicht die Semmeringbahn die Endhaltestelle in Mürzzuschlag.
Die Karte zeigt, dass der Streckenverlauf durch zahlreiche Kurven geprägt ist. Auf 16 % der Wegstrecke hat man sogar den kleinstmöglichen Kurvenradius von 190 m gewählt. Was die Karte nicht zeigt, ist die Steigung. Auf 42 km überwindet die Bahn insgesamt 730 Höhenmeter. Auf einen Meter Wegstrecke kommen also im Schnitt 1,7 cm Höhendifferenz (maximal 2,8 cm). Solche Steigungen von 170 ‰ bzw. 280 ‰ sind extrem; aktuell gelten in Deutschland Hauptstrecken mit einem Gefälle von 25 ‰ bereits als Steilstrecken.
Semmeringbahn-Fahrt von Gloggnitz nach Mürzzuschlag
Gloggnitz
Die Stadt Gloggnitz (5.800 Einw.; https://www.gloggnitz.at/) war eine bedeutende Bergbaustadt, heute steht dort südlich der Bahnlinie u.a. eine Schokoladenfabrik des Schweizer Unternehmens Lindt & Sprüngli. Am Bahnhof Gloggnitz führte man Vorbereitungen für die Befahrung der Semmeringbahn durch:
- Lokwechsel: Für die Semmeringbahn kamen die speziellen Stütztenderlokomotiven zum Einsatz (siehe unten).
- Zugteilung bzw. -zusammenführung. Um das Zuggewicht zu reduzieren, teilte man die Züge auf.
- Zusätzliche Lok. Die Zugkraft kann durch eine zweite Lok (ziehende Vorspannlok oder drückende Schublok) erhöht werden.
Die Semmeringbahn folgt am Nordufer der Schwarza. Bei Payerbach gibt es zwei Bahnstrecken:
- die Höllentalbahn folgt der Schwarza weiter Richtung Nordwesten.
- Die Semmeringbahn überquert auf einem Viadukt die Schwarza und fährt südlich des Flusses mehrere Kilometer zurück – vorbei an Küb und Eichberg.
Höllentalbahn
Die Semmeringbahn ist nicht die einzige Bahn der Region. Westlich des Bahnhofs Payerbach-Reichenau liegt der Bahnhof Payerbach Lokalbahn. Von dem Kopfbahnhof fährt die Höllentalbahn (eine 5 km lange Schmalspurbahn) am Ufer der Schwarza nach Hirschwang. Dort fließt die Schwarza durch ein enges Tal, das Höllental. Webseite: https://www.lokalbahnen.at/hoellentalbahn
Schwarza-Viadukt
Kurz nach dem Bahnhof Payerbach-Reichenau steht bei Streckenkilometer 82,75 das längste Viadukt der Semmeringbahn: das Schwarza-Viadukt. Es ist 276 m lang, 25 m hoch und führt über den Fluss Schwarza. Das Foto zeigt das Viadukt mit Blick südostwärts in das Schwarzatal. Das Viadukt bildet den Scheitel der Kilometer langen Gleisschlaufe.
Kalte-Rinne-Viadukt & Ghega-Museum
Zwischen Breitenbach und Wolfsbergkogel steht bei Streckenkilometer 98,79 das höchste Viadukt der Semmeringbahn: das Kalte-Rinne-Viadukt. Es ist 182 m lang und 46 m hoch.
Das Bahnwärterhäuschen (im Bild links oben) dient seit 2012 als Ghega-Museum. Dort kann man sich über den Planer der Semmeringbahn, Carl von Ghega (1802-60), informieren (Webseite: http://www.ghega-museum.at/).
Bahnwärterhäuser
Das Foto links zeigt eines der 47 (von einst 55) erhaltenen Bahnwärterhäuser. Sie sind einander sehr ähnlich: Auf einer 10,7 m x 8,6 m großen Grundfläche steht ein zweistöckiges Steinhaus mit Satteldach. Die Wächterhäuser wurden zwischen 1848-54 in Sichtweite entlang der Bahnstrecke errichtet. Früher wohnten dort die Bahnwärterfamilien, heute sind sie vermietet oder stehen leer. Architekt war Moritz von Loehr. Liste der Wächterhaus auf wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/W%C3%A4chterh%C3%A4user_an_der_Semmeringbahn
Alter und neuer Semmeringtunnel
Zwischen den Bahnstationen Semmering und Steinhaus folgen die zwei längsten Tunnel der Semmeringbahn. Sie liegen nicht hintereinander, sondern mehr oder weniger parallel:
- Der alte Semmeringtunnel im Westen ist 1434 m lang.
- Der neue Semmeringtunnel wurde 1949-52 erbaut. Er ist 1512 m lang.
Südbahnmuseum in Mürzzuschlag
Informationen zur Semmeringbahn bietet u.a. das Südbahnmuseum in Mürzzuschlag (https://www.suedbahnmuseum.at/at/). Neben der Dauerausstellung gibt es eine Fahrzeugsammlung mit Loks und der größten Draisinensammlung. Im Caféwaggon werden österreichische Spezialitäten serviert (https://www.suedbahnmuseum.at/at/service/k-k-cafewaggon).
Semmeringbahn - Lokomotiven
Die Semmeringbahn trug zu einem Entwicklungsschub im Lokomotivbau bei. Die Bahnstrecke wurde gebaut, obwohl es noch keine Lokomotive gab, die auf der engen und steilen Semmeringbahn hätte fahren können. Diese musste erst noch erfunden werden. Die Zeichnungen unten zeigen zwei der vier besten Wettbewerbsvorschläge:
- Links der Entwurf „Seraing“ (Cokerill) mit zwei Kesseln und Gelenk in der Mitte.
- Rechts der Entwurf „Neustadt“ (Wiener Neustädter Lokomotivfabrik).
Beide hatten das gleiche Problem: die Gelenke der Dampfleitungen waren störanfällig. Weitere Entwürfen waren die „Bavaria“ (Maffay) und „VINDOBONA“ (Lokomotivfabrik Wien-Raaber-Bahn).
Stütztenderlokomotive
Der Ingenieur Wilhelm Engerth (1814-84) entwickelte mithilfe der vier Siegervorschläge einen neuen Lokomotivtypen. Bei der Stütztenderlokomotive stützt sich ein Teil der Lok (grün) auf dem Tender (gelb) ab. Lok und Tender waren durch ein Kugelgelenk verbunden, so dass die Lokomotiven die engen Kurven befahren konnten. Die Engerth-Lokomotiven wurden in Belgien (Firma Cokerill: 16 Loks) und Deutschland (Maschinenfabrik Esslingen: 10 Loks) gebaut.
Semmeringbahn - Eisenbahnhotels
Vom Südbahnhotel bis Kurhaus Semmering
Auch ein neuer Gebäudetypus entstand durch den Bau der Semmeringbahn: das gut erreichbare Eisenbahnhotel in schöner Lage. Nach der Fertigstellung der Bahnlinie baute man in der Nähe der Semmeringbahn drei luxuriöse Eisenbahnhotels:
- Das Südbahnhotel (erbaut 1882) war das erste Hotel am Semmeringpass. Es steht auf einer Höhe von genau 1000 m. Die Entwürfe lieferte Wilhelm von Flattich.
- Der Küchenchef des Südbahnhotels eröffnete ein paar Jahre später sein eigenes Hotel: das Hotel Panhans (1888), in dem u.a. der österreichische Kaiser abstieg. Später vergrößerte man das 44-Zimmer-Hotel zu einem Hotelkomplex mit 400 Zimmern. Eine Attraktion war das Hotelschwimmbad (erbaut 1932), beworben als „das erste alpine Hallenbad Europas“. Es ist inzwischen Ruine.
- Das Kurhaus Semmering (1909), oberhalb des Bahnhofs Wolfskogelberg, war das dritte Luxushotel. Nach einem Umbau soll das Kurhaus wieder als Hotel genutzt werden.
Semmeringbahn. Dokumente
Die Erbauer*innen der Semmeringbahn
Weniger komfortabel waren die Unterkünfte der Semmering-Bauarbeiter*innen. Rund 20.000 Männer und Frauen bauten die Bahnstrecke 1848-56, dabei fand mehrere Hundert den Tod durch Unfälle und Epidemien. Ihnen setzte Ferdinand von Saar (1833-1906) mit der 46-seitigen Novelle „Die Steinklopfer“ (1874) ein literarisches Denkmal (Digitalisat: https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno-buch?aid=510).
Weltdokumentenerbe Semmeringbahn
2017 erklärt die UNESCO die „Dokumente zum Bau der Semmeringbahn“ zum Weltdokumentenerbe (Link). Es handelt sich um 164 Notizbücher, Aquarelle und Stiche aus der Zeit zwischen 1844 bis 1910. Sie befinden sich im Technischen Museum Wien. Webseite: https://www.unesco.at/kommunikation/dokumentenerbe/weltdokumentenerbe-in-oesterreich/der-dokumentenbestand-zur-semmeringeisenbahn
Warum ist die Semmeringbahn UNESCO-Welterbe?
Die UNESCO erklärte die Semmeringbahn zum Weltkulturerbe, weil sie zwei (von sechs Weltkulturerbe-Kriterien) als erfüllt sah:
(ii) „Die Semmeringeisenbahn steht für eine herausragende technische Lösung eines physikalischen Problems in der Konstruktion von frühen Eisenbahnen.“
(iv) „Mit der Errichtung der Semmeringeisenbahn wurden Gebiete von großer Naturschönheit leichter zugänglich und für Wohnbau und Erholung erschlossen; dies führte zur Schaffung einer neuen Landschaftsform.“ (Quelle: https://www.unesco.at/fileadmin/Redaktion/Kultur/Welterbe/Dokumente/SOUV_Semmeringeisenbahn_785_Arbeitsuebersetzung_de.pdf
Die Übersetzung im pdf-Dokument weicht an zwei Stellen ab von der Übersetzung auf der Webseite https://www.unesco.at/kultur/welterbe/unesco-welterbe-in-oesterreich/semmeringeisenbahn. PDF: „frühen Eisenbahnen“; „zur Schaffung“; Webseite: „früheren Eisenbahnen“, „zu einer Schaffung“.
Semmeringbahn. Alternativen
Semmeringbahn-Wanderweg
Ein Wanderweg führt an der Semmering-Bahnstrecke entlang. Webseite: http://www.semmeringbahn.at/bahnwanderweg.php
Eine Teilstrecke ist die 1,7 km lange Polleroswand-Runde. Sie führt zwischen Kalte-Rinne-Viadukt und Krauselklause-Viadukt u.a. zu zwei Abraumhalden und zu einem Mosaik. Die Polleroswand/Pollereswand ist eine Steilwand oberhalb der Bahnstrecke (siehe Foto oben mit dem 20-Schilling-Blick).
Semmering-Basistunnel
Die Semmeringbahn führt bergauf über den Semmering-Pass. Seit 2012 baut man eine Bahnstrecke, die in einem 27,3 km langen Tunnel durch den Berg führt. Die Karte zeigt einen Unterschied zwischen alter und neuer Bahnlinie: Die Kurvenradien der neuen Bahnstrecke sind viel größer als die der alten Semmeringbahn. Die Züge können die Strecke also mit höherer Geschwindigkeit (bis zu 230 km/h) befahren.
Semmering-Schnellstraße
Mehr oder weniger parallel zur Semmeringbahn verläuft die Semmeringschnellstraße S 6, mit 105 km Österreichs längste Schnellstraße. Zwischen Eichberg und Steinhaus am Semmering liegt die Straße südlich der Bahn. Das Foto zeigt die „Rückseite“ der Burgruine Klamm (im Privatbesitz) und den Talübergang Schottwien. Die Brücke wurde 1986-89 erbaut und ist mit 130 m Österreichs dritthöchste Brücke.
Außereuropäische Bahnlinien als UNESCO-Welterbe
Transiranische Eisenbahn
Die Transiranische Eisenbahn führt vom Kaspischen Meer südwestwärts durch den Iran zum Persischen Golf. Die 1.404 km lange Strecke wurde von 1928-37 erbaut. An der Strecke steht u. a. der Hauptbahnhof Teheran, der erste Stahlbetonbau im Iran (erbaut durch das deutsche Unternehmen Philipp Holzmann).
Das Foto zeigt die 273 m lange Veresk-Brücke, die eine 110 m tiefe Schlucht im Elburs-Gebirge überquert. Der österreichische Ingenieur Walter Aigner leitete die Bauarbeiten an der Brücke.
Gebirgseisenbahnen Indiens
in Indien zählen drei Schmalspurbahnlinien zum UNESCO-Welterbe:
- Darjeeling Himalayan Railway (86 km) in Darjiling (Nordindien), erbaut 1879-81, Welterbe seit 1999;
- Kalka-Shimla Railway (96 km) in Himachal Pradesh (Nordindien), erbaut 1898-1903, Welterbe seit 2008;
- die Zahnradbahn Nilgiri Mountain Railway (46 km) in den Nilgiribergen in Tamil Nadu (Südindien), geplant ab 1854, eröffnet 1899 nach Plänen des Schweizers Niklaus Riggenbach, Welterbe seit 2005.
Webseite: http://whc.unesco.org/en/list/944